Main Details: Registry number ACT_43563/2024 Date 25. November 2024 Parties Häfele SE & Co KG v. Kunststoff KG Nehl & Co Order/Decision reference ORD_62433/2024 Type of action Application for provisional measures Language of Proceedings German Court - Division Court of First Instance - Munich (DE) Local Division German Headnotes: 1. Der Regelungszweck von Regel 8 Abs. 4 und 5 VerfO besteht darin, das Verfahren vor dem Einheitlichen Patentgericht von dem Streit über die materiell-rechtliche Inhaberschaft an einem Europäischen Patent unabhängig davon freizuhalten, ob die Inhaberschaft für die Prozessführungsbefugnis oder die Anspruchsberechtigung von Bedeutung ist, indem die (un-)widerlegliche Vermutung aufgestellt wird, dass der eingetragene Inhaber auch der tatsächliche Inhaber ist. 2. Der Sinngehalt eines Unteranspruchs kann grundsätzlich zur richtigen Auslegung des Hauptanspruchs eines Patents beitragen. Unteransprüche engen den Gegenstand des Hauptanspruchs jedoch regelmäßig nicht ein, sondern zeigen nicht anders als Ausführungsbeispiele lediglich – gegebenenfalls mit einem zusätzlichen Vorteil verbundene – Möglichkeiten seiner Ausgestaltung. 3. Da die Erteilungsakte in Art. 69 EPÜ keine Erwähnung findet, bildet sie grundsätzlich kein zulässiges Auslegungsmaterial. Ein Europäisches Patent kann nicht auf der Grundlage von Textstellen, die im Erteilungsverfahren aus der Beschreibung gestrichen wurden, ausgelegt werden (Fortführung von Lokalkammer Düsseldorf, Anordnung vom 9. April 2024, CFI_452/2023 = ACT_589655/2023 – Ortovox Sportartikel gg. Mammut Sports u.a.). 4. Die in einem einstweiligen Verfügungsverfahren vorzunehmende Interessenabwägung muss die Wahrscheinlichkeit einer Fehlentscheidung und auch die objektive Dringlichkeit im Sinne einer Erforderlichkeit einstweiliger Maßnahmen im Hinblick auf ein ebenso mögliches Hauptsacheverfahren berücksichtigen. Sämtliche Aspekte sind aufeinander rückbezogen gegeneinander abzuwägen. Die Notwendigkeit der Berücksichtigung auch dieser Aspekte im Rahmen der Interessenabwägung ergibt sich aus dem Verhältnis des einstweiligen Verfügungsverfahrens zu einem möglichen Hauptsacheverfahren. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist nämlich das Hauptsacheverfahren die Regel, während das Eilverfahren mit seiner summarischen Prüfung und der Möglichkeit der nachträglichen Rechtsverteidigung die Ausnahme ist. 5. Die Interessen der Parteien sind unter der Fragestellung abzuwägen, ob der Erlass einstweiliger Maßnahmen im Hinblick auf eine spätere Entscheidung im Hauptsacheverfahren erforderlich und geboten ist, d.h. ob es dem Antragsteller im Hinblick auf die Gefahr einer fehlerhaften Anordnung einstweiliger Maßnahmen und die damit verbundenen Auswirkungen für den Antragsgegner einerseits und die mit der Fortdauer der Patentverletzung bis zu einer Hauptsacheentscheidung verbundenen Beeinträchtigungen andererseits unzumutbar ist, mit der Durchsetzung seiner Ansprüche bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu warten. 6. Regel 211 Abs. 4 VerfO bringt zum Ausdruck, dass ein Antragsteller, dessen Verhalten bereits subjektiv darauf hindeutet, dass er es nicht eilig hat, keine Hilfe durch die Anordnung einstweiliger Maßnahmen erwarten kann. Der Umkehrschluss, dass einstweilige Maßnahmen anzuordnen sind, weil sich der Antragsteller beeilt hat, gilt hingegen nicht. Vielmehr muss die Anordnung einstweiliger Maßnahmen auch objektiv dringlich sein. 7. Im einstweiligen Verfügungsverfahren können Zweifel am Rechtsbestand des Streitpatents im Rahmen der Interessenabwägung ins Gewicht fallen und einer Anordnung einstweiliger Maßnahmen entgegenstehen. German Schlüsselwörter: summarische Prüfung, Erteilungsakte, Vermutung der Inhaberschaft, Interessenabwägung, Unteranspruch, Erteilungsakte, einstweilige Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen, unmittelbare Benutzung, einheitliche Wirkung, Auslegung, summarische Prüfung, unmittelbare Benutzung English Headnotes: 1. The purpose of Rule 8(4) and (5) of the Rules of Procedure is to ensure that proceedings before the Unified Patent Court are independent of disputes regarding the substantive legal ownership of a European patent, regardless of whether such ownership is relevant to the standing to bring an action or entitlement to a claim. This is achieved by establishing the (ir-)rebuttable presumption that the registered proprietor is also the actual proprietor. 2. The meaning of a dependent claim can be instrumental in determining the proper construction of the main claim of a patent. However, dependent claims generally do not limit the scope of the main claim but instead, like embodiments, merely illustrate potential configurations of the invention - possibly associated with an additional advantage. 3. Since the grant file is not mentioned in Article 69 of the EPC, it generally does not constitute admissible material for interpretation. A European patent cannot be interpreted based on passages that were deleted from the description during the grant procedure (following the Local division Düsseldorf, Order of 9 April 2024, CFI_452/2023 = ACT_589655/2023 – Ortovox Sportartikel v. Mammut Sports et al.). 4. In the context of preliminary injunction proceedings, the balancing of interests must take into account the likelihood of an erroneous decision as well as the objective urgency of provisional measures in relation to potential main proceedings. All aspects must be weighed and evaluated in relation to each another. The necessity of considering these aspects in the balancing of interests arises from the relationship between the preliminary injunction proceedings and potential main proceedings. From a procedural law perspective, the main proceedings are the standard, while the expedited proceedings, with their summary examination and the possibility of subsequent legal defense, are the exception. 5. The parties’ interests must be weighed by considering whether the issuance of provisional measures is necessary and appropriate in light of a subsequent decision in the main proceedings. This means determining whether it is unreasonable for the applicant to wait until the conclusion of the main proceedings to enforce its claims, given the risk of an erroneous order on provisional measures and its associated impact on the defendant on the one hand, and the harm caused by the continuation of the patent infringement until the pronouncement of a decision in the main proceedings on the other. 6. Rule 211(4) of the Rules of Procedure makes it clear that an applicant whose conduct subjectively indicates a lack of urgency cannot expect assistance through the issuance of provisional measures. However, the converse - namely, that provisional measures must be issued because the applicant has acted promptly - does not apply. Instead, the issuance of provisional measures must also be objectively urgent. 7. In preliminary injunction proceedings, doubts about the validity of the patent at issue can weigh heavily in the balancing of interests and may weigh against issuing provisional measures. French Headnotes: "-" English Schlüsselwörter: summary examination, Grant file, Indirect use French Schlüsselwörter: "-", "-", "-" Back to Decisions and Orders
Main Details: Registry number ACT_43563/2024 Date 25. November 2024 Parties Häfele SE & Co KG v. Kunststoff KG Nehl & Co Order/Decision reference ORD_62433/2024 Type of action Application for provisional measures Language of Proceedings German Court - Division Court of First Instance - Munich (DE) Local Division German Headnotes: 1. Der Regelungszweck von Regel 8 Abs. 4 und 5 VerfO besteht darin, das Verfahren vor dem Einheitlichen Patentgericht von dem Streit über die materiell-rechtliche Inhaberschaft an einem Europäischen Patent unabhängig davon freizuhalten, ob die Inhaberschaft für die Prozessführungsbefugnis oder die Anspruchsberechtigung von Bedeutung ist, indem die (un-)widerlegliche Vermutung aufgestellt wird, dass der eingetragene Inhaber auch der tatsächliche Inhaber ist. 2. Der Sinngehalt eines Unteranspruchs kann grundsätzlich zur richtigen Auslegung des Hauptanspruchs eines Patents beitragen. Unteransprüche engen den Gegenstand des Hauptanspruchs jedoch regelmäßig nicht ein, sondern zeigen nicht anders als Ausführungsbeispiele lediglich – gegebenenfalls mit einem zusätzlichen Vorteil verbundene – Möglichkeiten seiner Ausgestaltung. 3. Da die Erteilungsakte in Art. 69 EPÜ keine Erwähnung findet, bildet sie grundsätzlich kein zulässiges Auslegungsmaterial. Ein Europäisches Patent kann nicht auf der Grundlage von Textstellen, die im Erteilungsverfahren aus der Beschreibung gestrichen wurden, ausgelegt werden (Fortführung von Lokalkammer Düsseldorf, Anordnung vom 9. April 2024, CFI_452/2023 = ACT_589655/2023 – Ortovox Sportartikel gg. Mammut Sports u.a.). 4. Die in einem einstweiligen Verfügungsverfahren vorzunehmende Interessenabwägung muss die Wahrscheinlichkeit einer Fehlentscheidung und auch die objektive Dringlichkeit im Sinne einer Erforderlichkeit einstweiliger Maßnahmen im Hinblick auf ein ebenso mögliches Hauptsacheverfahren berücksichtigen. Sämtliche Aspekte sind aufeinander rückbezogen gegeneinander abzuwägen. Die Notwendigkeit der Berücksichtigung auch dieser Aspekte im Rahmen der Interessenabwägung ergibt sich aus dem Verhältnis des einstweiligen Verfügungsverfahrens zu einem möglichen Hauptsacheverfahren. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist nämlich das Hauptsacheverfahren die Regel, während das Eilverfahren mit seiner summarischen Prüfung und der Möglichkeit der nachträglichen Rechtsverteidigung die Ausnahme ist. 5. Die Interessen der Parteien sind unter der Fragestellung abzuwägen, ob der Erlass einstweiliger Maßnahmen im Hinblick auf eine spätere Entscheidung im Hauptsacheverfahren erforderlich und geboten ist, d.h. ob es dem Antragsteller im Hinblick auf die Gefahr einer fehlerhaften Anordnung einstweiliger Maßnahmen und die damit verbundenen Auswirkungen für den Antragsgegner einerseits und die mit der Fortdauer der Patentverletzung bis zu einer Hauptsacheentscheidung verbundenen Beeinträchtigungen andererseits unzumutbar ist, mit der Durchsetzung seiner Ansprüche bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu warten. 6. Regel 211 Abs. 4 VerfO bringt zum Ausdruck, dass ein Antragsteller, dessen Verhalten bereits subjektiv darauf hindeutet, dass er es nicht eilig hat, keine Hilfe durch die Anordnung einstweiliger Maßnahmen erwarten kann. Der Umkehrschluss, dass einstweilige Maßnahmen anzuordnen sind, weil sich der Antragsteller beeilt hat, gilt hingegen nicht. Vielmehr muss die Anordnung einstweiliger Maßnahmen auch objektiv dringlich sein. 7. Im einstweiligen Verfügungsverfahren können Zweifel am Rechtsbestand des Streitpatents im Rahmen der Interessenabwägung ins Gewicht fallen und einer Anordnung einstweiliger Maßnahmen entgegenstehen. German Schlüsselwörter: summarische Prüfung, Erteilungsakte, Vermutung der Inhaberschaft, Interessenabwägung, Unteranspruch, Erteilungsakte, einstweilige Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen, unmittelbare Benutzung, einheitliche Wirkung, Auslegung, summarische Prüfung, unmittelbare Benutzung English Headnotes: 1. The purpose of Rule 8(4) and (5) of the Rules of Procedure is to ensure that proceedings before the Unified Patent Court are independent of disputes regarding the substantive legal ownership of a European patent, regardless of whether such ownership is relevant to the standing to bring an action or entitlement to a claim. This is achieved by establishing the (ir-)rebuttable presumption that the registered proprietor is also the actual proprietor. 2. The meaning of a dependent claim can be instrumental in determining the proper construction of the main claim of a patent. However, dependent claims generally do not limit the scope of the main claim but instead, like embodiments, merely illustrate potential configurations of the invention - possibly associated with an additional advantage. 3. Since the grant file is not mentioned in Article 69 of the EPC, it generally does not constitute admissible material for interpretation. A European patent cannot be interpreted based on passages that were deleted from the description during the grant procedure (following the Local division Düsseldorf, Order of 9 April 2024, CFI_452/2023 = ACT_589655/2023 – Ortovox Sportartikel v. Mammut Sports et al.). 4. In the context of preliminary injunction proceedings, the balancing of interests must take into account the likelihood of an erroneous decision as well as the objective urgency of provisional measures in relation to potential main proceedings. All aspects must be weighed and evaluated in relation to each another. The necessity of considering these aspects in the balancing of interests arises from the relationship between the preliminary injunction proceedings and potential main proceedings. From a procedural law perspective, the main proceedings are the standard, while the expedited proceedings, with their summary examination and the possibility of subsequent legal defense, are the exception. 5. The parties’ interests must be weighed by considering whether the issuance of provisional measures is necessary and appropriate in light of a subsequent decision in the main proceedings. This means determining whether it is unreasonable for the applicant to wait until the conclusion of the main proceedings to enforce its claims, given the risk of an erroneous order on provisional measures and its associated impact on the defendant on the one hand, and the harm caused by the continuation of the patent infringement until the pronouncement of a decision in the main proceedings on the other. 6. Rule 211(4) of the Rules of Procedure makes it clear that an applicant whose conduct subjectively indicates a lack of urgency cannot expect assistance through the issuance of provisional measures. However, the converse - namely, that provisional measures must be issued because the applicant has acted promptly - does not apply. Instead, the issuance of provisional measures must also be objectively urgent. 7. In preliminary injunction proceedings, doubts about the validity of the patent at issue can weigh heavily in the balancing of interests and may weigh against issuing provisional measures. French Headnotes: "-" English Schlüsselwörter: summary examination, Grant file, Indirect use French Schlüsselwörter: "-", "-", "-" Back to Decisions and Orders